#Adventskalender-Minutengeschichte2023 13. Dezember: Drehplan Krippenspiel

Andrea entdeckte in einer Zeitschrift, die sie eigentlich nicht las, einen Aufruf, dass man das Krippenspiel verfilmen sollte. Der beste Beitrag würde im nächsten Jahr in einer Vorabendsendung der Öffentlich-rechtlichen gesendet und danach auf allen Social Media-Kanälen verbreitet werden.

Mit ihrem Instagram-Account lief es immer schlechter und TikTok hatte sie immer noch nicht durchschaut.

Der Gewinn des Video-Drehs würde ihr sicherlich die nötige Aufmerksamkeit schenken, die sie brauchte, damit sich ihre Reichweite wieder erholte.

Ein paar Tage später hatte sie ihren Freundeskreis mobilisiert. Als Studenten hatten sie ab und zu ein paar Kurzfilme gedreht, die sie allerdings nie auf YouTube hochgeladen hatten, weil sie ihnen peinlich gewesen waren.

Jetzt würde ihr Film entweder gewinnen – hoffte Andrea – oder nie an die Öffentlichkeit kommen.

Mit den richtigen Kostümen und passender Schminke würde man sie ohnehin nicht wieder erkennen.

An ihrem Drehtag begutachtete Andrea die Kostüme und die geschminkten Gesichter. Ihr gefiel, was sie sah.

„Könnt ihr alle eure Rolle? Ina und Ralf spielen Maria und Josef und…“

„Warum machen wir das nicht? Wir könnten doch genauso gut die Eltern spielen“, wollte Andreas Freund Philipp wissen.

„Wenn ich Regie führe, kann ich nicht auch noch die Hauptrolle spielen. Du weißt, wie das beim letzten Mal geendet ist.“

Ina verzog das Gesicht und drehte sich zur Seite, damit ihre Freundin nicht sehen konnte, wie sie mit einem Lachanfall zu kämpfen hatte. Damals war die Polizei ihr kleinstes Problem gewesen.

Bei der Erinnerung an diesen Kurzfilm konnte Philipp nachvollziehen, warum Andrea sich weigerte, die Hauptrolle zu spielen. Nur wie schafften die realen Schauspieler diese Doppelfunktion, ohne für Chaos zu sorgen?

„Soll die Plüsch-Möhre wirklich Jesus spielen?“, fragte Olivia.

„Das ist eine Karotte. Ich muss meine alte Puppe noch einmal abstauben, bevor ich sie in die Obstkiste legen kann.“

„Obstkiste und dieses Plüsch-Gemüse passt doch perfekt. Ich hätte da noch einen Knoblauch und einen Blumenkohl als Stofftier anzubieten.“

„Stoffgemüse“, verbesserte Ina und bis auf Andrea fingen alle zu lachen an.

„Wenn ihr so weitermacht, bleibt die Karotte drin und die Lacher der Zuschauer werden eure sein.“

„Wenn wir die schaltragende Möhre ordentlich mit Stroh einpacken, wird das niemand sehen. Du kannst ihr dann mit echten Möhren huldigen.

„Das ist Myrrhe, keine Möhre.“

„Wen spielst du eigentlich?“, wollte Olivia wissen. „Kaspar, Melchior oder Balthasar?“

„Völlig egal, die kann sowieso niemand auseinanderhalten.“

„Die Heiligen drei Könige haben auch Text, da müssen wir wissen, wer wen spielt.“

„Es gibt keinen Text, wenn ich dich daran erinnern darf.“

„Wieso? Führen wir eine Phantomine auf?“

„Pantomine, Ina. Nein, machen wir nicht.“

Olivia entdeckte die Kamera im Hintergrund. Das eingebaute Mikro war durch kein externes Mikrofon verstärkt worden.

„Wir drehen einen Stummfilm“, stellte sie fest.

„Genau, das müsste dir gefallen, weil du so ein großer Fan des Moschusochsen bist.“

„Deshalb müssen wir noch lange keinen Stummfilm drehen. Damit werden wir nie den Wettbewerb gewinnen.“

„Hast du eine Ahnung.“

„Wenn wir das gut machen, ist uns der Sieg sicher“, meinte Ralf zuversichtlich.

„Stummfilme sind total out“, fiel Philipp ihm ins Wort.

„Am besten lassen wir die Möhre…“

„Karotte“, verbesserte Andrea.

„Karotte“, seufzte Olivia. „Wir lassen die Karotte drin und machen eine Slapstickkomödie à la Charlie Chaplin daraus.“

„Ohne Torte“, sagte Ralf schnell. „Ich mag keine Sahne.“

„Genug geschwafelt, wir fangen an. Jeder auf seine Position.“

„Was für eine Position?“, fragte Philipp ratlos und suchte den Boden nach einer Markierung ab.

„Ina und Ralf an die Krippe, um ihr Kind zu bewundern. Danach kommen wir und überbringen die wertvollen Gaben.“

„Warum müssen wir diese abscheulichen Bettlaken tragen?“, wollte Ralf wissen und zupfte an seinem lila Umhang herum, der ihm nicht gefiel.

„Das sind Vorhänge, die gab es billig im Möbelladen.“

„So sehen sie aus“, grummelte Ralf.

„Genug gequatscht. Wir spielen!“

Die Kamera lief und zeichnete Szene für Szene auf. Man stolperte über die Vorhänge, musste diese immer wieder hochziehen, weil sie von den Schultern rutschten, während man versuchte, dem Jesuskind, dargestellt von einer Plüschmöhre, zu huldigen.

(Helen Hoffmann)

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