#Adventskalender-Minutengeschichte2023 24. Dezember: Besuch im Zoo

In memoriam Santosh

Heute an Heiligabend waren Leah und Moritz sehr früh aufgestanden, obwohl sie an schulfreien Tagen ausschliefen, denn sie wollten in den Zoo gehen. Dieser machte um 13 Uhr wieder zu, dass sie pünktlich bei Öffnung um neun Uhr da sein wollten.

„Können wir?“, wollte ihr Vater wissen.

„Ja!“, kam es gleichzeitig von Leah und Moritz.

Als sie am Zoo ankamen, war es kurz vor neun, doch es warten bereits zahlreiche Besucher darauf, dass geöffnet wurde.

Endlich wurden die beiden großen Tore aufgemacht und sie konnten hinein. Als erstes ging es zu den Giraffen und Zebras in den Stall.

„Das stinkt!“, sagte Moritz und hielt sich die Nase zu.

„So riechen Tiere“, sagte seine Mutter lachend.

Sie kamen bei den Ponys und Eseln vorbei. Neugierig kam ein Grauohr vorbei und ließ sich von Leah und Moritz streicheln. Doch als ein braunes Pony sich näherte, lief der Esel weg.

„Du bist blöd“, sagte Leah zu dem Pony und ging weiter zu den Ziegen, die sich unter ihrem Vordach aufhielten und Heu fraßen.

„Die kommen gar nicht“, sagte Moritz enttäuscht.

„Vielleicht später.“

Weiter ging es vorbei an den Löwen. Das Männchen sah nach draußen, fand es aber zu kalt, um dort umherzugehen.

Sie kamen zu den Elefanten, die gerade nach draußen gingen.

„Hast du das Geschenk dabei?“, fragte Leah ihre Mutter.

„Ja, ich hole euch die Geschenke aus dem Rucksack, dann könnt ihr sie in die Kiste legen.“

„Was ist da noch alles drin?“, wollte Moritz wissen.

„Wir haben Erdnüsse, Walnüsse, Soft-Feigen, Rote Bete und Äpfel gekauft. Das ist in beiden Geschenken drin.“

„Das ist alles für den kleinen Elefanten zum Geburtstag?“

„Ich denke, dass er so nett ist und seiner Mutter, seinen Tanten und Geschwistern etwas abgeben wird“, sagte Moritz‘ Vater.

„Ich würde alles für mich behalten“, meinte Moritz, der nicht gern teilte.

„Da wären die anderen Elefanten traurig, wenn der Kleine nichts abgeben würde. Er bekommt von ihnen doch auch immer etwas“, sagte seine Mutter.

„Zum Dank werden sie in den Po gepiekt“, sagte Leah.

Die Geschenke, auf denen der Name des Geburtstagskindes stand, hatten in der Kiste neben weiteren Futtergaben für den kleinen Elefanten ihren Platz gefunden.

Draußen standen die Dickhäuter in ihrem Gehege herum und fraßen Äste, die sie eifrig kleiner brachen und sich die Stücke ins Maul schoben. Die Kälte schien ihnen nichts auszumachen.

„Guck mal, die Pfleger tragen alle Weihnachtsmützen“, sagte Moritz.

„Damit die Elefanten wissen, dass heute nicht nur der Kleine Geburtstag hat, sondern auch Heiligabend ist“, sagte sein Vater.

Lange standen sie vor dem Gehege und sahen den Dickhäutern beim Fressen zu. Der kleine Elefant ärgerte die Älteste, die sich von ihm durch die Gegend schieben ließ, bevor sie sich umdrehte und ihm eine Kopfnuss verpasste.

„Au!“, sagte Leah und hielt sich den Kopf, als hätte sie selbst den Stoß abbekommen.

Eine Elefantenkuh näherte sich leise einem Pfleger von hinten und griff mit ihrem Rüssel zielsicher nach seiner Weihnachtsmütze, die sie sich auf den Kopf warf. Dort blieb sie liegen und die Elefantin schüttelte sich bis die Mütze an Halt verlor und zu Boden fiel. Bevor der Pfleger die Mütze aufheben konnte, kam das Geburtstagskind angelaufen und schnappte sich die Weihnachtsmütze.

Lachend beobachteten Leah und Moritz das Geschehen, bevor sie mit ihren Eltern zu den Orang-Utans weitergingen. Dort wurde ein Tisch frei und sie setzten sich und aßen Krapfen mit Hiffenmark.

„Guck mal, der kleine Affe haut dem Chef das Seil auf den Kopf“, sagte Moritz.

„Der will an den Kästen drehen, um ein paar Erdnüsse und Rosinen abzustauben“, sagte seine Mutter. „Aber so macht man das natürlich nicht.“

„Moritz wohl“, sagte Leah.

„Gar nicht wahr, du haust zurück!“

„Kommt, wir sehen uns noch ein paar Tiere an“, sagte ihr Vater und packte die Thermoskannen mit heißem Kakao und Kaffee weg.

Es hatte zu schneien begonnen. Kleine zarte Flocken fielen vom Himmel und blieben auf der Erde liegen.

„Weiße Weihnachten!“, sagten Moritz und Leah und öffneten den Mund, damit die Schneeflocken hineinflogen.

„Mund zu, sonst seid ihr morgen krank“, sagte ihre Mutter streng. „Dann können wir nicht zu Oma und Opa.“

„Oh!“

Die sibirischen Tiger saßen an einer Felskante und beobachteten die sich nähernden Besucher. Ihnen schien die Kälte nichts auszumachen. Vielleicht freuten sie sich sogar über den Schnee.

Sie hörten eine Glocke.

„Kommt, es wird Zeit zu gehen.“

Langsam ging die Familie Richtung Ausgang, sah noch einmal bei den Elefanten vorbei, die in der Halle Heu und Rüben fraßen. Das Geburtstagskind hatte sich hingelegt und schlief, doch schon wenige Augenblicke später stand er auf und lief zu seiner Schwester.

„Das war schön“, sagte Leah, als sie den Zoo verlassen hatten und zum Bus gingen.

„Nächstes Jahr müssen wir das wieder machen“, fügte Moritz hinzu.

In den Zoo konnte man an jedem Tag des Jahres gehen, aber an Heiligabend war es etwas ganz Besonderes.

(Helen Hoffmann)

FROHE WEIHNACHTEN!

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 23. Dezember: Falsch verstanden

Elke wollte nur einen kurzen Blick auf den Christbaum werfen, ob dieser noch etwas Wasser brauchte.

Im Wohnzimmer hatte sie auf einmal einen nassen Fuß. Verwirrt starrte sie ihren durchweichten Strumpf an. Als wäre sie draußen in eine Pfütze getreten, aber sie hatte sich nur hier drinnen aufgehalten.

Auf dem Boden befand sich eine Wasserlache, die vom Tannenbaum kam. Hatte Hubert zu viel Wasser in den Behälter gegossen? Entweder war es zu wenig oder zu viel. Immer musste er übertreiben.

Na gut, dann würde sie kurz einen Lappen zum Aufwischen holen und danach ein ernstes Wörtchen mit Hubert reden. Wenn er eine Überschwemmung hinterließ, musste er das auch wieder wegmachen und nicht ihr überlassen. Eine Fußbodenheizung bedeutete nicht, dass diese alles trocknete.

Während Elke das Wasser aufwischte, entdeckte sie eine Plastikkugel, die vom Baum gefallen war.

Sie legte das Tuch in den Eimer und wollte die Christbaumkugel wieder an einen Tannenzweig hängen, als ihr diese aus der Hand fiel.

Geschockt starrte sie auf den Baum, der vor Wasser nur so triefte. Alles, aber auch wirklich alles war nass. Beim Anblick des nassen Weihnachtsbaumschmucks hätte sie heulen können. Die ganzen Holzschnitte waren vor Feuchtigkeit aufgequollen. Die roten Stoffbällchen waren durchweicht. Den Plastikkugeln und den Metallbildchen machte die Feuchtigkeit wenig, obwohl sie das Metall lieber vorsichtig abtrocknete. Nachher fingen die Anhänger zu rosten an. Sie hatte diese Jahrzehnte nicht wie ein rohes Ei behandelt, damit sie nach einem Regenguss zu rosten anfingen und unansehnlich wurden.

Wieso war der Baum klitschnass, als hätte er draußen im Regen gestanden?

„Hubert!“, rief sie ihren Mann, der ihr bestimmt sagen konnte, was hier geschehen war.

Fünf Minuten später ließ sich ihr Mann endlich blicken.

„Was ist denn los? Brennt der Baum?“

„Nein, der trieft vor Wasser. Was hast du wieder angestellt?“

„Nichts!“, beteuerte ihr Mann seine Unschuld.

„Warum ist der Baum nass?“

„Ich habe ihn ein bisschen angefeuchtet.“

„Ein bisschen?“, sagte Elke empört und zeigte ihrem Mann ein aufgequollenes Holzstück. „Das hat sich total mit Wasser vollgezogen. Ich kann froh sein, wenn das nach dem Trocknen halbwegs wieder so aussieht wie früher.“

„Was musst du so was an den Baum hängen?“

„Warum ist der so nass?“

„Wenn du willst, dass der Baum lange hält, musst du die Nadeln mit einem Zerstäuber besprühen. Das habe ich gestern als Tipp in der Zeitung gelesen.“

„Leicht anfeuchten hat dort gestanden“, sagte Elke, die den Artikel über die Haltbarkeit des Christbaums ebenfalls gelesen hatte. „Du hingegen hast den ganzen Baum unter Wasser gesetzt. Dazu kommt der gesamte Christbaumschmuck, der feucht geworden ist. Bei den Plastikkugeln ist das egal, aber meine schönen Metallanhänger, die Stoffkugeln. Und hier…“ Elke hätte fast aufgeheult, als sie ihre aus Papier geformten Herzen mit weihnachtlichem Motiv sah, die durch das Wasser völlig aufgeweicht und an Form verloren hatten. Die hatte ihre Mutter ihr vermacht und sie hatte diese all die Jahre wie ihren Augapfel gehütet und nun waren sie hinüber.

„Ich hole einen Fön. Dann sind deine Anhänger in Nullkommanichts trocken“, sagte Hubert und wollte sich auf den Weg ins Bad machen.

„Gar nichts wirst du! Die müssen schonend getrocknet werden. Du bringst es fertig, dass die Herzanhänger in Flammen aufgehen, weil der Fön die Lackschicht erhitzt.“

„Dann kommen deine Anhänger auf die Fensterbank und ich stelle den Heizkörper an“, schlug ihr Mann vor.

„Wenn du das nächste Mal dem Baum was Gutes tun willst, gieß Wasser in den Christbaumständer. Das reicht völlig aus.“

„Ich wollte nur was Neues ausprobieren“, meinte Hubert kleinlaut.

„Das kannst du bei einem Baum machen, an dem nur Plastik- oder Glasschmuck hängt, aber weder Holz noch Stroh.“

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 22. Dezember: Zum Verzehr nicht geeignet

Das war mal was Neues, was als Christbaumschmuck an den Tannenzweigen hing. Letztes Jahr hatte Thea das durch Zufall in einem Laden entdeckt, den sie nur betreten hatte, um die Zeit bis zu einer Verabredung totzuschlagen. Damals war der Baum bereits geschmückt gewesen und noch etwas dazuhängen hatte sie nicht gewollt, weil er dann überladen gewirkt hätte.

Dieses Jahr hatte sie einfach ein paar Kugeln weggelassen. Die goldenen hatten sowieso nie zu ihrem in rot gehaltenen Christbaumschmuck gepasst.

Jetzt sah es so aus, als würden Bonbonverpackungen am Baum hängen. Glücklicherweise waren diese aus Plastik und nicht, wie so vieles seit einigen Jahren, aus Glas. Bei Glas hatte sie immer Angst, dass etwas herunterfallen könnte oder Nico einmal nicht aufpasste und etwas vom Baum fegte. Krümel durfte man auch nicht vergessen. Zwar gehörte ihr Hund nicht zu den allzu begeisterungsfähigen, dennoch könnte er den Platz unter dem Baum zu seiner neuen Schlafstätte erwählen. Das hatten sie schon gehabt. Damals war Krümel erst ein Jahr und es war äußerst schwierig gewesen, ihn zu überzeiugen, dass sein Platz im Körbchen viel besser war.

Fünf Kugeln hatte er zerkaut, weil diese heruntergefallen waren. Zum Glück hatte er sich dabei nicht ernsthaft verletzt. Bei Glaskugeln würde das anders aussehen.

Da hingen die Bonbonverpackungen. Schön sahen sie aus und so…

Moment, was war das?

Thea ging näher an den Baum heran. Tatsächlich, sie hatte sich nicht getäuscht. Eines der falschen Bonbons war an einer Stelle kaputt. Das war heute Morgen noch nicht gewesen, als sie den Baum geschmückt hatte.

War der Anhänger heruntergefallen und jemand war draufgetreten?

Thea nahm das Plastikbonbon vom Zweig und betrachtete es eingehend. Nein, da hatte niemand draufgetreten, sondern reingebissen. Wer machte so was?

Krümel? Ihr Hund war wohl kaum auf die Idee gekommen, dass sich im Inneren eine Hundepraline befand. Hatte Nico? An diesen Anhänger konnte er problemlos kommen. Hatte ihr Sohn gedacht, es würde sich um ein echtes Bonbon handeln?

Nico war draußen und spielte mit seinen Freunden. Torben, der Nachbarjunge war kurz drin gewesen. Hatte er vielleicht…?

Jemand klingelte wild an der Tür. War etwas passiert?

Thea machte die Tür auf und sah sich ihrer erbost wirkenden Nachbarn Karin gegenüberstehen.

„Was hast du meinem Jungen zu essen gegeben? Der blutet aus dem Mund.“

„Nichts! Du weißt, dass ich mich an deine Vorgaben halte.“

„Warum ist sein ganzer Mund kaputt?“

„Vielleicht hat er in meinen Christbaumschmuck gebissen“, sagte Thea und hielt Karin den kaputten Anhänger hin.

„Mein Sohn wird noch ein richtiges Bonbon von einem falschen unterscheiden können.“

„Nicht, wenn er keine Brille trägt, dann sieht ein falsches aus wie ein richtiges.“

„Die trägt Torben nie draußen, weil er sie sonst kaputt macht. Die Krankenkasse will das nicht mehr zahlen. Was hängst du dir Plastikbonbons in den Baum?“

„Bei anderen sind es Gewürzgurken.“

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 21. Dezember: Ben, lass den Koffer zu!

Der Dachboden war cool. Hier gab es so viele interessante Sachen zu entdecken.

Ben kümmerte sich nicht um das Verbot, dass er hier oben nichts zu suchen hatte. Alles, was spannend war, durfte er nicht. Das war total uncool.

Jetzt war niemand da, der ihn erwischen konnte, wie er sich auf dem Dachboden umsah.

In einem Karton hatte er eben die Sachen von Nina gefunden, als sie noch ein plärrendes Ding gewesen war. Jetzt hatte er einen großen Koffer entdeckt. Es war so cool, im Dachgeschoss zu sein und sich alles anzusehen, was hier herumlag. Viel war es nicht, aber morgen würde er hier noch beschäftigt sein – falls er es unerkannt ins Dach schaffte.

Ben sah sich den Koffer an. Den hatte er noch nie gesehen. Wenn sie verreisten, wurde dieser nicht genutzt. Ob der neu war? Da passte viel mehr rein als in den anderen.

Wenn er seine Ruhe haben wollte, könnte er sich in dem Koffer verstecken. Dort würde ihn niemand finden und er müsste nicht das tun, was er nicht mochte.

„Ben!“, hörte er seinen Vater rufen.

Schnell in den Koffer, sonst musste er noch den Müll rausbringen. Das konnte Nina machen. Mit einem Hocker kam seine Schwester an die Klappe der Mülltonne.

„Ben!“, tönte die Stimme zu ihm.

Er war nicht da!

Ben zog am Reißverschluss des Koffers. Dieser verklemmte sich.

Wie uncool! Jetzt ging es weder vor noch zurück. Gleich hatte ihn sein Vater entdeckte. Das wollte er auf keinen Fall.

Er zog und zerrte am Reißverschluss. Endlich ging es weiter.

„Ben, wo bist du?“

Die Stimme seines Vaters klang schon ganz nah.

Endlich! Der Koffer war auf. Schnell Den Deckel hoch und dann… Wie uncool, der Koffer war bereits voll. Waren das die Geschenke, die er und Nina an Heiligabend bekommen sollten?

„Ben, lass den Koffer zu!“, hörte er seinen Vater sagen, der nun auf der Treppe stand und ihn beobachtete.

Widerwillig schloss er den Koffer wieder. Wie uncool erwischt worden zu sein.

Sein Vater zog den Reißverschluss zu.

„Du musst noch den Müll rausbringen.“

Total uncool!

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 20. Dezember: Auch der Osterhase feiert Weihnachten

Geschäftiges Treiben herrschte in der warmen Stube der anderen Kaninchen. Was war da los? Sollte eines als Weihnachtsbraten enden? Wie gut, dass sie gerade hier draußen eine Runde drehte.

Hilferufe hörte sie keine, stattdessen war mehr ein Poltern zu hören. Ob noch ein Tannenbaum aufgestellt wurde?

Das interessierte sie jetzt. Was war in der warmen Stube los?

Kaninchen Hoppel-Knickohr machte sich auf den Weg und schlüpfte durch die Hühnerklappe ins Warme. Was sie dort sah waren keine verängstigten Langohr-Genossen, nur die Hühner wirkten etwas durcheinander.

Hatte es Futter gegeben? Nein, da war nichts Neues zu sehen, auch die Tanne stand einsam geschmückt in ihrer Ecke.

„Bist du das?“, wurde sie von einer Genossin angesprochen.

Das Kaninchen deutete auf die gegenüberliegende Wand.

„Das sieht aus wie du, auch wenn du so was natürlich niemals tragen würdest, weil du dir damit dein Fell ruinieren könntest.“

Auf ihr seidenweiches Fell gab sie viel und die anderen waren immer schon neidisch gewesen, wie schön glänzend und sauber es aussah.

Hoppel-Knickohr drehte sich um und erschreckte sich fürchterlich, als sie sich selbst gegenüber sah. Irgendwie sah das aus wie sie und irgendwie nicht. Sie würde nie eine Weihnachtsmütze tragen, schon gar nicht zwischen ihren schönen Ohren.

Wann war das Bild eigentlich gemacht worden? Sie konnte sich nicht erinnern. Weihnachtsmützen hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht getragen. Sie besaß ein großes Exemplar, dass sie in ihren Bau draußen getragen hatte. Diese Mütze sah allerdings nicht mehr ganz so schön aus wie die auf dem Plakat.

Bilder hatte man bereits viele von ihr gemacht, manche hatten auf der Lauer gelegen, um ein Foto von ihr machen zu können. Richtig unangenehm war das. Da wollte man sich in der Sonne ein wenig wärmen und dann wurde man von den Leuten belagert, dass sie alle einen Schatten auf sie warfen. Berühmt zu sein war anstrengend.

Das Bild auf dem Plakat war eine Fälschung. Sie hatte nie mit einer Weihnachtsmütze posiert.

„Seht euch das mal an“, hörte sie einen Zweibeiner sagen, der gerade mit zwei kleinen Ausgaben in die warme Stube gekommen war. „Auch der Osterhase feiert Weihnachten. Ist das nicht schön?“

Schön? Überhaupt nicht!, empörte sich Hoppel-Knickohr. Sie war und blieb ein Kaninchen!

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 19. Dezember: Nur ganz schnell

Das konnte doch nicht sein, wo waren nur die Christbaumkerzen? Im Schrank hätten noch fünf Packungen liegen müssen. Wie waren die abhanden gekommen? Ach ja, die hatte sie einer Arbeitskollegin gegeben. Weswegen noch mal? Sie wusste es nicht mehr.

Wegen ihrer Großzügigkeit standen sie nun ohne Weihnachtsbaumkerzen da. Das ging gar nicht. Also schnell los und welche besorgen. Wenn sie sich beeilte, würde Michael nicht merken, dass sie noch mal kurz weggewesen war.

Merkwürdig, wieso war alles dunkel? In der Küche brannte Licht, aber nicht mehr als die Tischleuchte, die durch eine Zeitschaltuhr gesteuert wurde.

Auf dem Herd stand auch nichts, obwohl Heidi heute mit Kochen dran war.

Ob es ihr nicht gut ging und seine Frau sich hingelegt hatte? Sofa wie auch Schlafzimmer waren leer. Nachdem er einmal gründlich die Wohnung durchsucht hatte, konnte er nur feststellen, dass Heidi spurlos verschwunden war. Ob sie in den Keller gegangen war? Dorthin ging sie ungern und um diese Zeit nie ohne ihn.

War Heidi etwas passiert? War sie ins Krankenhaus gebracht worden? Warum hatte er keine Nachricht gefunden? War sie unter den Tisch gerutscht?

Merkwürdig und auch besorgniserregend. Am besten probierte er es auf dem Handy. Dann wüsste er vielleicht endlich, was los war.

Ausgeschaltet war es nicht und … Moment, klingelte das nicht hier irgendwo?

Michael beendete den Anruf und rief noch einmal die Nummer seiner Frau an. Da war es wieder. Das schien aus dem Flur zu kommen.

Heidis Smartphone steckte in einem Schuh, als wäre es eine vergessene Nikolausüberraschung. Hatte sie es wieder verlegt.

Nun gut, dann wartete er eben, bevor er sich verrückt machte, ihr könnte etwas passiert sein. Vielleicht wollte sie nur noch eine Kleinigkeit fürs Abendessen einkaufen, die sie nicht im Haus hatten.

Eine Stunde später hörte Michael seltsame Geräusche an der Haustür. Er unterbrach sein Abendbrot und trat in den Flur, wo er sich den Metall-Schuhanzieher nahm.

Jemand schien das Türschloss zu suchen und es immer mit dem Schlüssel zu verfehlen. Das konnte nur Heidi sein. Die traf selbst im hellsten Licht nur mit Schwierigkeiten das Schloss.

Er drehte den Schlüssel um und öffnete die Tür. Da stand Heidi, vollbepackt mit mehreren Tüten und Taschen.

„Du bist schon da?“, sagte sie statt einer Begrüßung. „Ich wollte doch nur ganz schnell Kerzen kaufen.“

„Kerzen? Hast du den ganzen Lagerbestand leergekauft?“, wollte er wissen und musterte die Taschen und Tüten.

„Nein, da ist nur noch ein bisschen Weihnachtsdeko drin. Du glaubst nicht, was es dieses Jahr für tolle Sachen gibt.“

„Das kannst du mir nachher zeigen, ich mach dir schnell ein Brot.“

„Ach je, ich hab das Essen vergessen. Wie kommt es eigentlich, dass du bereits da bist?“

„Ich bin gekommen wie immer.“

„Tatsächlich? Dabei habe ich doch nur ganz schnell…“ Heidi sah auf die Uhr. „So spät schon? Wo ist die Zeit hin? Ich wollte nur ganz schnell los, um Baumkerzen zu kaufen.“

„Dann hast du hundert andere Sachen entdeckt. Wo sind die Kerzen drin, damit ich sie in den Schrank legen kann?“

„Warte, da muss ich selbst nachsehen“, sagte Heidi und durchsuchte Taschen und Tüten. „Ich habe vergessen die Kerzen zu kaufen“, stellte sie nach ihrer ergebnislosen Suche fest. „Warte, ich geh noch mal schnell los.“

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 18. Dezember: Eine Giftnudel beim Abendsessen?

Norma sah, wie ihre Mutter in ihrem Rezeptbuch blätterte und Zettel zwischen einzelne Seiten legte.

„Was machst du da?“, wollte sie wissen.

„Ich sehe mir verschiedene Rezepte an, die ich an Heiligabend kochen könnte.“

Norma sah ihrer Mutter dabei zu, wie diese durch das Buch blätterte und es schloss, als sie am Ende angekommen war.

„Du, Mama? Kommt Oma?“

„Ja“, antwortete ihre Mutter, verwundert über diese komische Frage.

„Und Opa?“

Warum wollte Norma das wissen?

„Der natürlich auch. Weihnachten kommen alle zusammen. An Heiligabend findet unsere Familienfeier statt.“

„Kommt Giftnudel Herta mit ihrem Schlaffi auch?“

„Norma, so was sagt man nicht! Wo hast du das her?“, sagte ihre Mutter entsetzt.

„Oma hat das zu Papa gesagt. Wenn die Giftnudel mit ihrem Schlaffi kommt, feiert sie woanders“, meinte das Mädchen, stolz darauf, wiedergeben zu können, was sie gehört hatte.

„Das hast du bestimmt falsch verstanden.“

„Ich habe daneben gestanden. Papa hat versprochen, Hertha und ihren Schlaffi da zu lassen, wo sie hingehören.“

„Und wo ist das?“

„Hat Papa nicht gesagt.“

Ihre Schwiegermutter lag nicht falsch mit den Bezeichnungen. Ihre Schwester hatte an alles und jedem etwas auszusetzen und Richard war der größte Langweiler, den es geben konnte. Selbst die Stille war interessanter als ein Gespräch mit ihrem Schwager. Dennoch gehörte es sich nicht, in Normas Gegenwart so von den beiden zu sprechen. Wenn ihre Tochter das in Gegenwart von Hertha und Richard gesagt hätte, wäre die Hölle losgewesen. Ihr Schwager hätte das sehr wahrscheinlich lustig gefunden, aber Hertha?

Von ihrer Schwester hätte sie sich anhören müssen, dass ihre Tochter ein verzogenes Gör ohne Erziehung sei, aber bei der Mutter wäre das auch kein Wunder. Dabei war Hertha in ihrer Kindheit immer diejenige gewesen, die Ärger gemacht hatte.

„Ich will, dass Oma und Opa kommen, die haben immer tolle Geschenke für mich. Tante Hertha bringt mir immer Schokolade mit, die ich nicht mag.“

„Die Giftnudel und der Schlaffi müssen dieses Jahr Zuhause bleiben“, versprach Normas Mutter und erstarrte. Jetzt hatte sie das tatsächlich auch gesagt. Hoffentlich hatte ihre Tochter das nicht mitbekommen.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 16. Dezember: Eine strohige Bürde

Au! Wo war er da wieder reingetreten? Mirko hob seinen Fuß an und fand einen Strohhalm, der in seiner Socke steckte und ihn gestochen hatte.

Das war bereits das siebte oder achte Mal, dass ihm so was in den letzten Tagen passiert war. Er hätte nie zulassen dürfen, dass Valentina sich diesen Adventskalender kaufte. Wenn hinter jedem Türchen ein fertiger Strohstern zu finden gewesen wäre, wäre alles kein Problem. Allerdings musste man diese Sterne und Figuren selbst basteln. Seine Freundin war zwar mit vielen Talenten gesegnet, aber Basteln gehörte definitiv nicht dazu. Leider hatte sie es noch nicht gemerkt.

Bisher hatte er noch keine einzige Figur gesehen, die der tagesaktuellen Anleitung aus dem Adventskalender entsprochen hatte. Falls nicht alles auseinander fiel und sich das Stroh über den Fußboden ergoss, fehlte ein Halm, war alles krumm und schief oder hatte Ähnlichkeit mit moderner Kunst.

Nicht einmal den Strohstern, der sehr leicht zu basteln war, hatte Valentina hinbekommen. Krumm und schief war alles gewesen und ein Halm hatte gefehlt. Den hatte er sich am nächsten Morgen in die Ferse getreten. Danach war er hellwach gewesen.

Er hatte den Strohstern schließlich gebastelt. War nicht schwer gewesen und am Ende hatte der Stern auch so ausgesehen wie auf der Anleitung. Valentina war beleidigt gewesen und hatte sich mit der Ausrede verteidigt, die Bild-für-Bild-Anleitung sei zu kompliziert. Weshalb er die nachfolgenden Strohfiguren wieder seiner Freundin überlassen hatte, weil es ihr Adventskalender war und nicht seiner. Deshalb trat er regelmäßig auf Stroh.

Glücklicherweise verletzte er sich nicht, auch wenn es im ersten Moment sehr weh tat.

Wenn man kein Talent hatte, sollte man nicht versuchen, Strohsterne und -figuren zu basteln. Aber er würde sich hüten, es Valentina unter die Nase zu reiben. Stattdessen würde er weiterhin ihre eigenwilligen Kreationen bewundern und auf Stroh treten. An Weihnachten war der Spuk endlich vorbei und er konnte wieder schmerzfrei durch die Wohnung laufen. Nachdem er alle Räume durchgefegt und auch noch gesaugt hatte, damit er garantiert keinen einzigen Strohhalm übersah.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 15. Dezember: Die richtige Tanne muss es sein

Harald war seit einer halben Stunde damit beschäftigt, den perfekten Weihnachtsbaum zu finden. Inzwischen hatte er fast jede Tanne in der Hand gehabt und war dennoch nicht dem perfekten Baum begegnet, den er unbedingt nach Hause nehmen wollte und im Wohnzimmer aufstellen würde.

Es durfte nicht ein x-beliebiger Baum sein, den man aus Verlegenheit kaufte, weil man sein Traumexemplar nicht gefunden hatte.

Sein Tannenbaum der Träume durfte nicht zu klein und nicht zu dünn sein. Zu ausladend durfte er hingegen auch nicht sein, denn man wollte im Wohnzimmer noch fernsehen, ohne dass ein Ast ins Bild hing.

Der Stamm wiederum nicht zu dünn, damit das Drahtseil des Baumständers ihn fest umfassen konnte. Doch was nützte ein solide gewachsener Stamm, wenn dieser zu dick war und gar nicht erst in den Baumständer passte und man erst einmal zwei Stunden damit zubringen musste, einige Scheiben abzusägen. Weil das Holz Feuchtigkeit gesogen hatte, dauerte alles doppelt so lang und war natürlich vierfach so anstrengend.

Aber nicht nur der Stammumfang war wichtig, denn es durften sich auch keine allzu tief sitzenden Äste am Stamm befinden. Diese mussten alle abgesägt werden, damit der Baum auch fest im Ständer stand. Bei diesen tiefsitzenden Ästen handelte es sich meist um die Exemplare, die dem Baum sein volles Aussehen gaben. Musste man sie entfernen, sah die Tanne aus wie ein gerupftes Huhn und man ärgerte sich, viel Geld für nichts ausgegeben zu haben. Man konnte versuchen, die abgesägten Zweige irgendwie mit in den Christbaumständer zu stecken. Allerdings gelang es in den meisten Fällen nicht.

Abgebrochene Äste waren auch ein Ärgernis, denn an dieser Stelle hatte der Baum dann ein Loch. Zwar konnte man die verunstaltete Seite an die Wand stellen, dass es nicht weiter auffiel, aber einem selbst war dieser Makel bekannt und deshalb konnte der Tannenbaum noch so schön aussehen, man sah nur diese kahle Stelle. Wenn man Pech hatte, gab es an einer Seite nur einen kurzen Ast, sodass man gar nicht wusste, wie man den Baum platzieren sollte, damit es nicht auffiel.

Besonders wichtig war darauf zu achten, dass niemand die Spitzen des Christbaums abgeschnitten hatte. Wie sollte man die künstlichen Kerzen befestigen, wenn die Astspitzen entfernt worden waren? Die beiden äußeren mochten noch erhalten sein, aber die wichtige in der Mitte fehlte. So konnte man die künstliche Kerzen nur noch an einem dünnen Zweiglein befestigen, dass dieser sich durch das Gewicht durchbog und die Kerze schief hing.

Wenn jemand die mittleren Zweige abgeschnitten hatte, war der Baum harzig, klebte und man ruinierte sich beim Transport die Kleidung und später den Christbaumschmuck.

Natürlich roch das ausgetretene Harz gut, besser, als wenn man einen muffigen Baum erwischte, den man erst einmal mit Raumspray einnebeln musste.

Früh nadeln durfte er natürlich auch nicht oder bereits am dritten Tag so trocken sein, dass er wie ein harter Besen wirkte.

Harald stellte den letzten Baum zurück. Hatte er jetzt alle durch? Vielleicht fing er noch einmal von vorne an. Möglicherweise waren ein paar neue Exemplare dazugekommen, von denen einer seinen Wünschen entsprach.

„Kann ich dem Herrn helfen?“, wurde er von dem Weihnachtsbaumverkäufer angesprochen.

„Ich suche einen Tannenbaum“, sagte Harald und kam sich lächerlich vor. Was sollte er sonst suchen? Eine Giraffe in einem Baumkostüm?

„Was suchen sie denn für ein Exemplar?“

Der Mann gefiel Harald. Kam gleich zur Sache.

Er erzählte dem Weihnachtsbaumverkäufer von seinem Wunschbaum. Dieser nickte, verschwand für ein paar Minuten und kam schließlich mit einem zwei Meter Exemplar zurück.

„Das ist der richtige Baum für Sie. Nadelt nicht, braucht kein Wasser, steht fest und man kann überall Lichter und Baumschmuck befestigen. Dazu ist er platzsparend und das Beste –  er duftet nach wunderbar nach Spekulatius.“

„Den nehme ich“, sagte Harald erfreut.

Kopfschüttelnd sah der Weihnachtsbaumverkäufer seinem Kunden hinterher und konnte nicht fassen, dass dieser sich für einen Plastikweihnachtsbaum entschieden hatte. Das war nicht der erste wählerische Kunde, den er in den letzten Jahrzehnten gehabt hatte. Vor fünf Jahren hatte er eine ganze Ladung mit scheußlichen Plastiktannenbäumen ersteigert, um sie solchen Kunden anzubieten. Seltsamerweise waren die immer restlos begeistert und dankten ihm noch im Jahr darauf für diesen tollen Christbaum. Über seine Türschwelle würde so ein Plastikteil nie kommen.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 14. Dezember: Vier Wochen Warten

Was stand da? Vier Wochen? Hatte sie richtig gelesen? Tatsächlich, da stand vier Wochen. Das musste sich um einen Druckfehler handeln. Man konnte einen Teig nicht vier Wochen ruhen lassen, bevor man ihn weiter verarbeitete. Das machte man vielleicht mit selbstgemachten Senf, aber doch nicht mit Lebkuchenteig.

Mal sehen, was im Internet bei den Lebkuchenrezepten stand.

Na also, ein paar Stunden und dann konnte sie mit dem Backen beginnen. Sie hatte es gewusst.

Aber… Moment mal, da stand auch was von vier Wochen, um einen besonders feinen Geschmack zu bekommen.

Wer war so verrückt und stellte vier Wochen seinen Teig irgendwo hin, damit dieser ruhen konnte? Entweder hatten sich dort Tiere eingenistet, jemand warf den Teig weg, weil er ihn für eine undefinierbare Masse hielt oder ein Langfinger machte sich dran zu schaffen, dass am Ende eine leere Schüssel zurückblieb. Bei einer Geh- oder Ruhezeit von sechzig Minuten musste sie schon aufpassen, dass niemand vom Teig probieren wollte, da waren vier Wochen absolut nicht machbar.

Im Mittelalter war Lebkuchenbäcker ein richtiger Beruf gewesen. Die hatte es nicht nur in Nürnberg gegeben, sondern in jeder größeren Stadt, deren Bewohner es sich leisten konnten.

Und damals wie heute konnte man das ganze Jahr Lebkuchen kaufen und essen. Natürlich nicht im Supermarkt, da kam das Herbstgebäck erst Ende August, aber traditionell blieb es Weihnachtsgebäck. Und sie würde den Teig einen Tag ruhen lassen. Die Schüssel würde sie in der hintersten Ecke des Kellers verstecken, wo niemand hinkam, außer die Wasseruhr musste abgelesen werden.

(Helen Hoffmann)